Motorenfabrik Anton Schlüter München

Werk Freising

1905 - 1993




Anton Schlüter I

Als Anton Schlüter 1905 mit der Herstellung von Verbrennungsmotoren begann, hatte er bereits ein bewegtes Leben hinter sich. 1867 auf einem Gutshof bei Brilon im Sauerland geboren, verlor er als 8-jähriger Knabe seine Eltern und wurde zu einem Färber in Pflege gegeben. Dieser ermöglichte ihm die Ausbildung zum Mechaniker, Bau- und Kunstschlosser. Nach Abschluss seiner Ausbildung begab er sich auf die "Walz". In Freising heiratete er und 1888 kam sein erster Sohn zur Welt. Er erhielt ebenfalls den Namen Anton.

Eine entscheidende Wendung nahm sein Leben, als er in Köln mit einem Bauunternehmer ein Geschäft einging. Für ihn baute er ein maschinelles Mörtelwerk und mechanisierte den Kies- und Steintransport. Als der Bauunternehmer pleite ging, ging er trotz seiner erfolgreichen Arbeit leer aus. Allerdings gab er die Hoffnung nicht auf. Mit der alten Lokomobile aus seiner Transportanlage und einer gebrauchten Dreschmaschine zog er eine Saison als Lohndrescher über die Dörfer. Dabei verdient er so gut, dass er 1899 wieder nach München ziehen und dort eine kleine Werkstatt eröffnen konnte.

Schlüter Motor 1905
liegender Ottomotor aus der Anfangszeit der Motorenfertigung

Zum ersten mal kam er mit Verbrennungsmotoren in näheren Kontakt, als er die Möglichkeit bekam, die alte Lokomobile gegen 20 gebrauchte kleine Gasmotoren zu tauschen. Er baute sie zu Benzinmotoren um und konnte sie gut weiterverkaufen. Daraufhin übernahm er die Vertretung einer sächsischen Motorenfabrik. Diese Fabrik geriet aber bald in finanzielle Schwierigkeiten und Anton Schlüter wurde die Übernahme angeboten. Da er aber in München bleiben wollte, erwarb er 1905 ein Fabrikgebäude in München-Ost und verlagerte die Fertigung dorthin.

In Folge entwickelte sich das Unternehmen sehr gut. 1910 beschäftigte er bereits über 200 Angestellte und bald darauf wurde der 2-Schicht Betrieb eingeführt. 1911 kaufte er in Freising eine Gießerei, so dass er nicht mehr auf Zulieferbetriebe angewiesen war. Diese Gießerei war groß genug, dass er sogar Kundenaufträge annehmen konnte. Da die Motoren hauptsächlich an Landwirtschaft und Kleingewerbe verkauft wurden, lag es nahe, auch landwirtschaftliche Maschinen und Geräte ins Verkaufsprogramm zu nehmen, die dann von Schlüter Motoren angetrieben werden konnten. 1915-1917 wurde in Freising ein drittes Werk errichtet.   


Schlüter Glühkopfmotor
Schlüter Glühkopfmotor

Schlüter Glühkopfmotoren

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges wurde Anton Schlüter zum Kommerzienrat ernannt und hatte 2000 Mitarbeiter, aber dem Werk standen schwere Zeiten bevor. Hohe Benzinpreise wirkten sich negativ auf den Verkauf der Motoren aus. Die damaligen Dieselmotoren mit Kraftstoff-Lufteinblasung und dem dafür notwendigen Kompressor und den Druckluftflaschen waren sehr schwer und teuer. Außerdem erforderten sie fachkundiges Bedienpersonal und sorgfältige Wartung. All das war für das Hauptabsatzgebiet der Schlüter Motoren, also Landwirtschaft und Kleingewerbe wenig geeignet. Deshalb nahm Schlüter ab 1921 Glühkopfmotoren in Fertigung, die mit billigeren Treibstoffen betrieben werden konnten. Diese Motoren wurden als 1- und 2-Zylinder in stehender und in liegender Ausführung in Leistungen von 3-60 PS hergestellt. Allerdings war Anton Schlüter mit dem Prinzip des Glühkopfmotors nicht besonders zufrieden. Das langwierige Vorheizen, die dabei gerade in der Landwirtschaft entstehende Feuergefahr und die schlechte Regelbarkeit des Glühkopfmotors sah er als gravierende Nachteile. 

Schlüter Verdampfer-Motor SJN 80

Verdampfermotor SJN 80

Neben den Glühkopfmotoren stellte Schlüter auch weiterhin Benzinmotoren her. Das waren in den 20er und 30er Jahren hauptsächlich die Verdampfermotoren der Baureihe SJN. Diese kleinen und einfach konstruierten Verdampfermotoren wurden in großen Stückzahlen am Fließband hergestellt, um den Preis niedrig zu halten. Ihr besonderes Kennzeichen war der "versenkte" Zylinderkopf, der nur wenige Zentimeter über das Motorgehäuse mir dem Wasserkasten heraus stand. Sie wurden in 5 Größen von 3 bis 8 PS Leistung gefertigt.

Aufgrund der bauartbedingten Unzulänglichkeiten des Glühkopfmotors begann Schlüter, kompressorlose Dieselmotoren zu fertigen. Sie arbeiteten mit direkter Einspritzung und zwei Einspritzdüsen, von denen je 2 Stück gegenüber im Zylinderkopf saßen. Dieses Verbrennungsverfahren war damals nicht unüblich und wurde auch von anderen Herstellern verwendet. Dadurch war es möglich, die Motoren sofort und ohne Hilfsmittel anzulassen. Die ersten Schlüter-Motoren mit diesem Tangentialeinspritzungsverfahren kamen 1924 auf den Markt. 

3-Zylinder Schlüter Stationärmotor

Schlüter Stationärmotor

2 stationäre Schlüter Dieselmotoren

Schlüter HSD 160E

Schlüter Motor mit Tangentialeinspritzung

2-Zylinder Schlüter Stationärmotor
Schlüter Dieselmotoren mit Tangentialeinspritzung

Damit hatte er sein Ziel also eigentlich erreicht. Aber die von einem einzelnen Pumpenelement versorgten tangential einspritzenden Düsen waren bei der damals recht schwankenden Kraftstoffqualität anfällig gegen Verkokung, so dass gelegentlich nur noch eine der beiden Düsen funktionierte. Außerdem ließ sich das Verbrennungsverfahren dieser Motoren nicht mehr patentrechtlich schützen. Deshalb suchte Anton Schlüter nach einem Verbrennungsverfahren, das diese Probleme abstellte, ohne dass neue Nachteile entstehen.  Aus diesem Grunde baute er ab Anfang der 30er Jahre Motoren nach dem Haag-York-Vorkammerverfahren, die Baureihen HDE und HDL. Aber auch hiermit war er nicht zufrieden und musste wahrscheinlich außerdem Lizenzgebühren für dieses Verbrennungsverfahren bezahlen.


Schnittzeichnung Schlüter Schwenkkammer

Schnittzeichnung des Schwenkkammerverfahren

Das Ergebnis langjähriger Versuche mit diversen Verbrennungsverfahren war das Schlüter Schwenkkammerverfahren, dessen einzigartiger Vorzug es war, dass es den Kaltstart eines Wirbelkammer-Dieselmotors ermöglichte. Im Zylinderkopf befindet sich hierzu ein löffelförmiger Schieber. In Betriebsstellung verengt er den Durchgang zwischen Wirbelkammer und Zylinderraum zu einem kleinen Schusskanal. So entsteht eine vollwertige Wirbelkammer. In Anlaßstellung legt sich der Schieber an die Wand der Wirbelkammer, so dass zwischen Kammer und Zylinderraum eine weite Öffnung entsteht. Der Motor arbeitet jetzt also quasi als Direkteinspritzer und lässt sich so mit erhöhter Einspritzmenge ohne Hilfsmittel kalt starten. Schlüter ließ dieses Verbrennungsverfahren patentieren und setzte es ab Mitte der 30er Jahre bei allen seinen Dieselmotoren ein. Waren das zu Anfang hauptsächlich stehende Ein- und Mehrzylindermotoren für stationäre Anwendungen, so wurden später zunehmend liegende Verdampfermotoren hergestellt.

Ein wichtiger Meilenstein in der Firmengeschichte war der Beginn der Traktorenfertigung im Jahre 1937. Zu Anfang noch recht unbedeutend, entwickelte sich dieser Geschäftszweig nach dem Krieg um Hauptgeschäft. Überhaupt bedeutete der 2. Weltkrieg einen bedeutenden Umbruch für das Unternehmen. Die Produktion von anderen Landmaschinen wurde ganz eingestellt und 1949 starb der Firmengründer Anton Schlüter. Seine Nachfolge trat sein Sohn Anton Schlüter II an. Die Verdampfermotoren wurden nach dem Krieg fast nur noch für den Export gefertigt. Das Motorenbauprogramm umfasste außerdem noch stationäre Ausführungen der Schleppermotoren. Von diesen wurden, den Anforderungen der Traktorenfertigung entsprechend, 1- bis 3-Zylinder von 15 - 55 PS hergestellt.

erster Schlüter Traktor Typ DZM 15

Schlüter Diesel Verdampfermotor Typ SDL

Schlüter Dieselmotor ASM 22
Das erste Traktorenmodell: Der DZM 15 mit Verdampfermotor Typ DSL 14

Verdampfermotor SDL 12 A
Schleppermotor ASM 22,
stationäre Ausführung

Das Schlüter Motorenbauprogramm 1953:

Typ Bauart
PS
n
Bohrung x Hub
Kühlung
SDL 6 A 1-Zylinder, liegend
6
1650
80x120
Verdampfungskühlung
SDL 9 A 1-Zylinder, liegend
9
1500
95x140
Verdampfungskühlung
SDL 12 A
1-Zylinder, liegend
12
1300
115x155
Verdampfungskühlung
ASM 15
1-Zylinder, stehend
15
1500
115x150
Wasser, Umlauf
ED 15
1-Zylinder, stehend
17
1500 115x155
Wasser, Umlauf
ASM 22
2-Zylinder, stehend22
1500100x150
Wasser, Umlauf
ED 25
2-Zylinder, stehend25
1500115x150
Wasser, Umlauf
ASM 32
2-Zylinder, stehend32
1500115x155
Wasser, Umlauf
ASM 45
3-Zylinder, stehend 45
1500 115x155
Wasser, Umlauf

1957 wurde Anton Schlüter II das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Leider starb er im selben Jahr, nicht einmal 9 Jahre nach seinem Vater. Sein Sohn Anton III übernahm nun die Geschicke der Firma. Ebenfalls 1957 wurde eine interessante Neuheit vorgestellt: zwei luftgekühlte 1-Zylindermotoren mit Direkteinspritzung. Diese Typen blieben aber neben der Ende der 50er Jahre entwickelten Baureihe SD75 die einzigen luftgekühlten Schlüter-Motoren und verschwanden bald wieder aus dem Bauprogramm. Ab 1958 wurden auch die wassergekühlten Schleppermotoren auf Direkteinspritzung umgestellt, sonst aber konstruktiv wenig verändert. Sie blieben bis 1969 in der Fertigung, wurden aber nur bis ca. 1963 in Traktoren eingebaut. Die Verdampfermotoren behielten das Schwenkkammerverfahren bis zu ihrer Produktionseinstellung im Juni 1977. 

Anzeige von 1960: Schlüter SDL mit Kühler und Schlüter SD75

Anzeige von 1960

Im Jahre 1961 kam die letzte bei Schlüter entwickelte Motorenbaureihe mit 2-8 Zylindern in Reihe auf den Markt. Damit gehörte Schlüter zum exklusiven Kreis der Fahrzeughersteller, die Reihenachtzylinder verbauten. Die Motoren der Baureihe SDW waren nicht mehr in Tunnelbauweise ausgeführt, da die Traktoren, in denen sie eingebaut wurden über einen Halbrahmen verfügten. Dadurch waren sie wesentlich leichter als ihre Vorgänger. Außerdem waren sie für ihre Entstehungszeit recht modern aufgebaut. Dennoch wurden die Motoren auch als Aggregatmotoren vertrieben. Nach einer Überarbeitung Ende 1968, bei der die Lager verstärkt und das Verbrennungsverfahren optimiert wurde, und z.T, mit Turbolader und Ladeluftkühlung ausgestattet, wurden die jetzt SDWM genannten Motoren bis zum Ende der Produktion bei Schlüter 1993 hergestellt. Der größte Reihen-8-Zylinder SDM 112 W 8 mit Turbolader und Ladeluftkühlung leistete 210 PS. Schlüter hatte sich ab Mitte der 60er Jahre auf Großtraktoren konzentriert, um sich im schwieriger werdenden Markt eine Nische zu sichern. Gegen Ende der Produktionszeit wurden die meisten Schlüter-Schlepper aber bereits mit Fremdmotoren ausgerüstet, da die eigenen Motoren zum einen in der Fertigung zu teuer wurden, mittlerweile veraltet waren und ihre Leistung teilweise nicht mehr ausreichte. Schlüter baute Traktoren bis 500 PS Leistung!

1991 untersuchten die Umweltschutzbehörden die Werksanlagen in Freising und forderten die Sanierung von Altlasten, sowie erhebliche Umbauten. Da die finanziell bereits angeschlagene Firma die Auflagen nicht erfüllen konnte, wurde die Produktion in Freising 1993 endgültig eingestellt. Anton Schlüter III versuchte noch, mit Hilfe von finanziellen Mitteln aus dem Aufbau Ost, seine neueste Konstruktion, den "Euro Trac" in Schönebeck im ehemaligen "VEB Fortschritt" fertigen zu lassen. Dieser war aber nicht mehr mit einem Schlüter Dieselmotor ausgerüstet. Auch dieser Plan war wenig Erfolgreich. 1995 wurde die Fertigung des Euro Trac in Schönebeck nach nur 32 Exemplaren eingestellt. Damit ging ein Stück Motoren- und Traktorenbautradition in Deutschland zu Ende.

Das ehemalige Werksgelände wurde nach 15 Jahren Dornröschenschlaf von Altlasten befreit, saniert und die Bausubstanz originalgetreu erhalten. Darin befindet sich seit November 2009 ein Einkaufszentrum.
Links:
http://www.schlueter-oldtimer.de Mit schönen Bildern von Schlüter Stationärmotoren
http://www.schlueterhallen-freising.de Das ehemalige Werksgelände als Einkaufszentrum

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